Foto: Emile Ashley – Vennesla bibliotek
Vor einigen Jahren saß ich an einem Samstagmorgen in einem Kurs für Kreatives Schreiben. Um mit uns und miteinander warm zu werden, sollten wir Teilnehmenden uns überlegen, welches Instrument, welcher Baum, welches Tier wir wären. Gerne wären, vermute ich – wer würde schon: „Eine Flöte – ich kann sie nicht leiden“ sagen?
Gitarre…oder ist das kitschig?
Auf Umwegen zu dieser Frage zurück führten mich vor kurzem die Bögen aus Schichtholz in einem norwegischen Kulturhaus.
Meine spontanen Notizen damals im Kurs wurden von den Gedanken „Was denken dann die anderen? Was sagt das über mich? Ist das nicht zu kitschig/offensichtlich/effekthascherisch?“ begleitet. Daran, wie die anderen einander verstohlen ansahen, merkte ich einmal wieder: Du bist selten allein mit deinen Zweifeln. Alte Weisheit, immer wieder neu erarbeitet.
Welches Instrument also wäre ich gerne, welcher Baum? Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Die Übung habe ich damals gut überstanden, inklusive Eitelkeit und Nabelschau. Eine Birke kam auf meinem Notizblock vor, das weiß ich noch. Heute kenne ich sogar die Antwort auf eine Frage, die damals nicht gestellt wurde: Wenn ich ein Buch wäre, wüsste ich, wo ich das gern wäre.
Ich will ein schönes Fach/Zuhause
Es war damals nicht gefragt, welches Buch man gerne wäre, vielleicht sollte es doch mehr um das eigene Schreiben gehen als um das der anderen. Aber: Ich als Buch oder auch mein Buch würde gerne in einer Bibliothek stehen, die hell ist, viel Raum für Menschen und Gedanken hat, mit Nischen zum Lesen, mit Blick auf die Bäume.
Vor allem aber mit viel Holz, das sich über mir wölbt, in der man sich vielleicht nicht gerade fühlt wie Jona im Wal, aber wie in einem Korb, in einer Höhle, nicht eingesperrt. Schlicht, anspuchsvoll, ruhig und organisch, schützend, anregend für Gedanken.
Die Vennesla Bibliothek
Dass ich mir dies wünschen würde, wurde mir klar, als ich ein Foto der Bibliothek in Vennesla, Südnorwegen, sah. Dort liegt die Bibliothek im Kuturhaus, sie ist ein Teil davon. Das Architekturbüro Helen & Hard in Stavanger baute die Vennesla Bibliothek, 2011 war sie fertig. 27 Schichtholzbögen formen das Dach und setzen sich innen über Regalen und Sitzbänken fort. Dort könnte ich stehen, gut aufgehoben, in einem der Regale, am liebsten mit guter Sicht, ganz oben.
Die Huffington Post nennt die Vennesla übrigens in einem Artikel über die schönsten Bibliotheken der Welt.
Auch die Stockholmer Bibliothek, entworfen von Gunnar Asplund, findet sich auf der Liste.
Wenn es einmal wieder Partys gibt
Eines Tages wird es wieder Partys geben, auch solche, auf denen dich jemand fragt, wer du bist, und anschließend, was du arbeitest. Falls dich ein leichter Widerwille beschleicht, weil du lieber etwas anderes von dir erzählen und auch vom Gegenüber erfahren willst, frag’ doch mal, welches Instrument der oder die andere gern wäre. Oder welcher Baum. Ich wette, es wird spannender als sonst. Oder du hast an diesem Abend mehr Zeit für dich. Das kann auch gut sein. Schließlich brauchen die meisten Bäume Freiraum, für Wurzeln und Krone.
Hinweis: Diesen Beitrag habe ich aus freien Stücken und unbeeinflusst geschrieben, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten.