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Wir seh(n)en uns!  – Auf ein Wort mit der Sehnsucht

Kirchenfenster_in_einer_Kirche,lila_beleuchtet.

Wonach wir uns sehnen – das klingt oft zu groß, um wahr zu werden, oder zu fern, um es sich einzugestehen. Manche Sehnsucht bleibt, manche wandelt sich mit der Zeit. Sind das Kompromisse, Erfüllung oder Entwicklung? Ich wollte es genauer wissen, und habe der Sehnsucht ein paar Fragen gestellt.

Liebe Sehnsucht – wie sieht es gerade in dir aus?

Eine große Frage. Aber für große Fragen bin ich da. Die Corona-Pandemie hat mich sehr gefordert: Viele Menschen haben sich mit ihren Sehnsüchten (ich trete oft gleich im Plural auf) konfrontiert gesehen, weil sie schwerer zu befriedigen waren als früher. Von Begegnungen über Reisen, von beruflichen Plänen bis zur Sehnsucht nach einer Umarmung, und natürlich die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung, und nach Leichtigkeit. Da war alles dabei, ich war öfter in den Medien als sonst. Weil allen so vieles gefehlt hat. Und aktuell spüren die Menschen stark die Sehnsucht nach Frieden. Ich bin gerade sehr präsent. Ich muss zugeben: Das gefällt mir.

Das ist eine Menge Sehnsucht, pardon, Sehnsüchte! Muss man da nicht unterscheiden – eine Reise oder Frieden: Auf eine Reise kann man verzichten, aber auf Frieden?

Ja, schon. Eine Reise ist auf den ersten Blick nicht so wichtig wie der Frieden. Aber erzähle das mal einem Menschen, der sich sehnt. Jeder leidet, wenn er sich sehnt, ab einem gewissen Punkt. Ich nehme jede Sehnsucht ernst. Denn es steckt etwas Wichtiges dahinter. Und wer wäre ich, über die Sehnsucht zu urteilen? Ich bin froh, dass es mich gibt.

Was ist dieses Wichtige, das auch hinter kleineren Wünschen steckt?

Es ist immer etwas, was der Person wichtig ist. Was sie braucht, um glücklich zu sein. Das kann ein freier Tag sein, ein harmonischer Abend, oder ein Auto. Oder eben Frieden. Das kann man so verstehen, dass hinter diesen konkreten Wünschen etwas Abstraktes steht: Dieser Mensch möchte sich entspannen, Gemeinschaft erleben, oder Anerkennung und Zugehörigkeit durch andere erleben. Und Sicherheit oder Verbundenheit, durch Frieden. Bevor du nachhakst…

Ja, wollte ich gerade…

…das ist nicht absolut und nicht abschließend. Für jeden und jede steht etwas anderes hinter einer Sehnsucht.

Kirchenfenster_werden durch Lichteinfall_an die Wand_projiziert.Lila_angestrahlte_Wand.

Sehnsucht haben, aber sich mit einem Abbild zufriedengeben? Verrät man damit seine Sehnsucht? Das, was man bekommt, erscheint schwächer – kann aber dennoch sehr schön sein.

Das Problem ist aber: Es ist nicht alles erfüllbar. Und doch ist man manchmal zufrieden, oder sogar glücklich. Beispiel Reise: Man würde gerne ans Nordkap, fährt aber in die Eifel. Wenn es einem dann dort gut gefällt, hat man sich dann die Ersatzlösung, das Abbild schöngeredet? Oder die Sehnsucht verraten?

 Ja, das ist manchmal schwer zu unterscheiden. Du meinst sicher so etwas, wie es Passenger  in dem Song “Things that stop you dreaming” singt:

„(…) if you can’t get what you love

You learn to love the things you’ve got

(…) If you can’t get what you need

You learn to need the things that stop you dreaming“.

Da hilft es nur, in sich hineinzuhören. Das, was man sich zuerst wünscht, also worin die Sehnsucht besteht, ist oft nur eine von mehreren Möglichkeiten, das zu stillen, was dahintersteckt. Beispiel: Ich wünsche mir Abwechslung, und plane einen Ausflug. Ich bin aber zu spät dran, und muss mich von der langen Tour, die ich geplant hatte, verabschieden. Auf dem Weg begegne ich aber einem interessanten Menschen, oder eine Ziegenherde versperrt die Straße, und ich kann die Tiere aus der Nähe sehen. Oder ich finde bei einer Abkürzung einen besonders schönen Ausblick.

Dann stille ich mit dem, was ich erlebe, auch meine Sehnsucht. Vielleicht sogar besser.

Wenn es sich um Sehnsüchte handelt, die man schon länger hegt, und sein Leben bisher ohne deren Erfüllung gelebt hat, muss das auch kein Schönreden sein: Vielleicht stammt die Sehnsucht auch aus einer anderen Zeit, und passt nicht mehr.

Dann ist es Entwicklung?

Genau. Es lohnt sich immer, darüber nachzudenken, ob das, wonach ich mich sehne, noch das Richtige ist. Und dann nicht an Plan A festzuhalten, sondern Plan B anzunehmen. Überhaupt: Viele Menschen sehnen sich, und wissen gar nicht richtig, wonach sie sich sehnen. Das herauszufinden, ist schon eine Leistung ein Geschenk an sich, auch wenn es vielleicht schmerzt.

Und woher weiß ich, dass mein geänderter Plan richtig ist? Dass ich mir nichts vormache?

Das merkst du. Wenn es Plan A ist, wird er sich wieder melden. Dann sollte man ihn auch nicht wegschieben, sondern nach Möglichkeiten suchen, wie man diese Sehnsucht stillen kann. Es kann aber auch sein, dass sich eine Sehnsucht wirklich nicht erfüllt. Das ist schwer, aber es kann befreiend wirken, sich das einzugestehen.

Das klingt, als würde es sich lohnen, ehrlich zu sich selbst zu sein (eine nicht ganz neue Erkenntnis).

 (Die Sehnsucht lächelt hier lediglich unbestimmt.)

Was wünschst du dir? Wonach sehnst du dich?

Ich wünsche mir, dass die Menschen ihre Sehnsüchte als kostbare Hinweise betrachten. Nicht verbissen an ihnen festhalten, sondern sich überlegen: Was steckt dahinter? Kann ich das auf anderem Wege auch bekommen? Das setzt kreative Kräfte frei.

Ich wünsche mir eine Art Sehnsuchtskompetenz. Und ich wünsche mir, dass man mich auch mag, wenn ich nicht erfüllt werde, als Hinweis auf die eigene Person und ihre Lebendigkeit. Denn ich bin immer Ausdruck von Leben. Wer es etwas spiritueller möchte: Hier auf Erden gehört die Sehnsucht zum Menschsein dazu.

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