Buchrezension:
„Ach, wie gut, ein Einschlafbuch“, dachte ich, ich hatte gerade T.C. Boyle gelesen und war froh über etwas Milderes als die Tortillas der mexikanischen Einwanderer in Kalifornien. Ich rückte mir die Kissen zurecht und bereitete mich auf eine Reise-Liebes-Geschichte mit Culture Clash vor. Dem Cover nach hatte ich ein Frauenbuch in der Hand, dem langen Titel nach eine moderne Komödie aus Skandinavien.
Indien in den frühen Siebzigern
Ich begann zu lesen, aber schlief nicht ein, und lachte auch nicht. Per J. Andersson erzählt leicht und eindrucksvoll die Geschichte von Pikay, dem Inder und seiner Liebe Lotta. Das ist zuerst einmal die Geschichte eines indischen Jungen, der nicht mit seinen Schulkameraden spielen darf, weil er ein Kastenloser ist. Der sich weigert, zu akzeptieren, dass es Menschen verschiedener Klassen gibt, Unberührbare wie ihn, die nicht einmal Stockschläge vom Lehrer bekommen, weil er Angst, hat, sich zu verunreinigen. Aber Pikay gibt nicht auf, er folgt dem Weg, den ihm seine Kunst zeigt, mit Mut, Trotz und Sturheit, auch wenn er unter Brücken schlafen muss, und zu hungrig ist, um in die Vorlesungen der Kunstschule zu gehen. Seine Offenheit, vielleicht Naivität, führt ihn ebenso zu Indira Ghandi wie zu der jungen Schwedin, die ernster ist als die anderen europäischen Hippie-Reisenden, die Anfang der Siebziger Jahre nach Indien strömen.
Auch diese Reisende verlässt Indien aber wieder, und impulsiv, wie er ist, macht sich der junge Inder schließlich mit dem Fahrrad auf, und lässt sich von der langen Reise nicht abschrecken. Denn ihn treibt etwas an: Das, was die Liebe mit ihm gemacht hat.
Was die Liebe macht
Hier kommt also doch noch die Reisegeschichte, aber sie verzichtet auf eingängige Anekdoten, ist stattdessen getragen von dem großen Ernst, der die Hauptfigur ausmacht. Denn Pikay ist verändert, seitdem er liebt. Was hat die Liebe mit ihm gemacht? Die Antwort darauf gibt der Autor, als man zusammen mit dem Inder endlich Europa erreicht hat.
Pikay fragt sich, was mit ihm geschehen ist, als er seiner Lotta begegnete.
Früher fühlte er Frustration und Wut über die Ungerechtigkeit, sie waren seine treibenden Kräfte.
Das ist jetzt anders. „Lotta hatte ihm die Energie des Verzeihens geschenkt“, überlegt er.
Ist es vielleicht das? Dass die Liebe uns und unsere Verletzungen heilt? Pikay musste lernen, zu verzeihen. Das merkte er erst, als er es konnte.
Das gefiel mir noch besser als ein Happy End. (Ob es das gibt, verrate ich nicht.)
Per J. Andersson: Vom Inder, der mit dem Fahrrad bis nach Schweden fuhr, um dort seine große Liebe wiederzufinden: Eine wahre Geschichte
Erschienen 2015 bei Bastei Lübbe
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Info: Diesen Beitrag habe ich aus freien Stücken und unbeeinflusst geschrieben, ohne eine Gegenleistung, auch nicht das Buch selbst, dafür zu erhalten.